Tränen.

Mexiko.

Aufgespießte Köpfe hängen von Brücken und Häusern. Sachen werden geklaut. Gefährlich ohne Ende. Schlechte Menschen. Überall.

 

 

 

Wenn wir in der USA über unsere Reiseroute erzählten, wurden wir spätestens bei dem Wort 'Mexiko' schief angeschaut, belächelt oder für verrückt erklärt. Wir wurden gewarnt. Die Köpfe wurden geschüttelt. Und uns wurde von Kannibalismus berichtet. 

Aber bis jetzt lebe ich noch. Sogar recht gut :-) Das Essen hier ist wirklich verdammt lecker. Meine Reisekasse wird weniger belastet. Und die Menschen... Sie bringen mich zum Weinen.

 

Das Festland unterscheidet sich doch recht stark von der Baja California. Nicht nur dass die Landschaft von Wüste nach plötzlich GRÜN wechselte sowie von RELATIV flach (relativ ist ja eines meiner Lieblingswörter. Dafür, dass alle zu uns meinten die Baja sei ja KOMPLETT flach war sie dann doch hügelig bzw. hatte man Gebirgszüge zu passieren. Naja, hätte man mal vorher auf die Karte geschaut, sieht man ja auch die Sierras. Aber sowas machen wir generell nicht. Lieber nicht wissen was kommt.) nach - ähm ja - Hochland? Ja, wie gesagt, planen tun wir generell nicht zuviel (W.Z.B.W.) und Geographie war noch nie meine Stärke, aber dafür reise ich um das zu verbessern ;) So kam es, dass wir eigentlich bis Mexiko City kontinuierlich bergauf fuhren. Denn diese Stadt liegt auf 2500 m. Was ja jetzt nicht unbedingt unschaffbar ist in mehreren Tagen. Aber es geht ja zwischendurch auch ständig wieder runter. Und rauf. Und runter. Ja Hochland eben. Mir war irgendwie nicht klar, dass die Welt doch so hügelig ist. Ich wohne wahrscheinlich einfach in einem recht flachen Teil dieser. Ja auf alle Fälle denkt man sich so tagelang beim Klettern, wie schön, dass alles doch logischen Gesetzen unterliegt und es ja auch IRGENDWANN mal wieder runter gehen muss. Dieses 'runter' hat Korinna leider verpasst und Jessie hat sichs nicht erarbeitet ;) Und ich, die sich tagelang drauf freute fahre ca. 800 m davon mit dem Auto runter. Läuft. Super. Freude. Verdammt-ich-will-mein-Geld-zurück-Stimmung. Probleme mit Jessies Rad ließen uns den Finger raus halten. An dieser Stelle möchte ich mein Rad loben. Auch wenn SIE verdammt schwer ist, ihre Robostheit lässt mich auch über steinige Dirtroads fahren, ohne dass ich große Probleme habe ( - klopft auf Holz - ).

 

 

Aber auch kulturell unterscheidet sich die Baja von Mexikos Festland. Generell habe ich selten soviel kulturelle und kulinarische Vielfalt erlebt. Soviele Farben. Soviel Geschichte. Es ist insgesamt ein sehr vielfältiges Land. Und soviel Hilfsbereitschaft von den Menschen.

Ja ich habe heute meine Tage bekommen und ja ich bin sehr emotional. Mir liefen vorhin Tränen über die Wangen. Vor uns liegt ein Geschenkekorb. Eingebunden in pinker Schleife und durchsichtiger Folie. Mit Süßigkeiten aus der Region, Schmuck und einem handgeschriebenen Brief. Von einem 18 jährigem, der uns auf seinem Rennrad sitzend traf, uns bei der Radreparaturshop-Suche half und uns dann noch zum Lunch einlud. Wir prügelten uns fast um die Rechnung und das nicht zum ersten Mal. Dann verabreden wir uns zum Abendessen und seine Freundin bastelt diesen Geschenkekorb von uns. Für Menschen, die sie noch nie sah und ihr Freund für ein paar Stunden kennt.

Uns werden die kulturellen Sehenswürdigkeiten gezeigt. Pyramiden. Leute laden uns zum Essen ein. Wir bekommen Geschenke. Menschen nehmen Urlaubstage um uns ihre Stadt zu zeigen. Andere binden unsere Räder auf ihre Autos und fahren uns 200 km, da uns die Zeit davon rennt (damit Korinna ihren Flug bekommt). Warmshowers-Hosts kochen für uns, obwohl sie in ziemlicher Armut leben. In einem kleinen Dorf kommen alle 3 Minuten die Menschen und Kinder zu uns, fragen woher wir sind und wünschen uns eine gute Reise. Umarmen uns. Der Dorfpfarrer segnet uns. Leute laden uns zu sich nach Hause ein.

Und mich überkommen die Emotionen und mein Herz schwappt über, sodass mir die Tränen laufen. Ich bin sprachlos. Gerührt. Und beschämt. Es ist offensichtlich, dass wir aus einem erste-Welt-Land kommen. Und dennoch erfahren wir hier mehr Herzlichkeit von wildfremden Menschen als bisher. Was nicht heißt, dass wir das bis jetzt nie bekamen. Auch in Kanada und der USA luden uns Leute spontan ein, redeten mit uns usw usw. Ganz zu schweigen von den wundervollen Begegnungen mit Warmshower-Hosts. Aber hier rührt es mich anders, da es noch mehr Leute sind und vor allem ist offensichtlich, dass sie teilweise weniger Mittel zur Verfügung haben. Gerade auf dem Land sowie den kleinen Städten und Dörfern. Sie leben eng zusammen auf kleinem Raum. Duschen sich mit Plastikbechern aus einer Regentonne. Und bearbeiten ihr Land mit Pferden und Eseln. Dies gilt natürlich nicht für alle. In den Innenstädten der großen Cities fühlt man sich vom Lebensstandard her fast nicht anders als Zuhause. Und vielen geht es auch sehr gut und einigen wohl fast besser als uns ;) Herzlich sind sie alle und teilen gehört zu ihrer Kultur. Mi casa es tu casa - ganz diesem Sprichwort nach werden wir überall warm aufgenommen.

 

 

Naja und dann das Essen (und natürlich Tequila und Mezcal haha). Tacos in den vielfältigsten Variationen, mit Mais- oder Mehl-Tortillas. Mole mit Reis und Hühnchen. Enchiladas. Leckere (und scharfe) Salsas. Quesadillas. Flan........ Und frisches Obst und Gemüse. So lecker alles und ich befinde mich im Fress-Himmel. Und das alles für 2-3 Euro die Mahlzeit inklusive Getränk. Ab und zu schlägt mal mehr mal weniger Montezumas Rache zu ;) Das nervt zugeben ein wenig. Selbst wenn es mir meist einen Tag später wieder gut geht, merke ich doch beim Fahren, dass mir Energie und Kraft fehlt. Aber alles kostet seinen Preis ;)

 

(bis hier waren es Fotos   BIS   Mexiko City - noch mit Korinna)

 

Aber nun zu einem anderen Thema. Darf ich vorstellen? Jesse. Auch wieder zwei Kinder. Die gut versorgt "zurück gelassen" werden. Jesse kommt aus Nordkalifornien und wie das Leben so will haben wir uns über www.warmshowers.org kennengelernt. Er hat schon etliche Radreisende gehostet und wollte nun mal wieder selbst strampeln. Seit Mexiko City reisen wir nun für ca. zwei Monate zusammen. Als Einstand sind wir gleich mal einen wunderschönen Pass zwischen zwei aktiven (!) Vulkanen hoch. Radklettern auf 3700 m. Wir wollen ihn ja nicht gleich unterfordern. Und es ging nicht gerade sachte hoch. Und die Höhe... mein kleines Herz wummerte ganz schön in meiner Brust und ich keuchte...

 

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Kommentare: 3
  • #1

    mario (Montag, 31 Oktober 2016 17:18)

    muy buenas fotos!
    ... hahaha Moctezuma's revange ;)

  • #2

    nola (Dienstag, 01 November 2016 02:42)

    Sonne, ich frage mich wie vielen Du schon das Herz entzückt und gebrochen hast?

  • #3

    Mareen (Dienstag, 01 November 2016 08:24)

    Hallo Anna.
    Du unternimmst echt eine wahnsinnig tolle Reise. Wahnsinn. Und soo cool zu sehen, dass du Mexico auch z.T. dort bereist wo wir erst vor ca. 11 Monaten umher gereist sind. Leider nicht auf dem Rad , aber trotzdem empfanden wir Mexico ähnlich erfüllend wie du und super ungefährlich. Da ich vor 2 Monate auch meine erste Radwanderung mit Gordon (NUR 7 - tägig, natürlich ist Gordon alter Hase in diesem Business ) unternommen habe und total angefixt bin, verfolge ich deine Bilder und Berichte mit Leidenschaft und etwas klopfendem Herzen.
    Ich würde das Reise deines Lebens nennen, so sieht es für mich zumindest an...schwer zu toppen!
    Take care and ride safe Anna. Wir wünschen dir alles gute und eine tolle Weiterfahrt.