Die Kunst, falsch zu reisen.

 

 

Folgende Zeilen  sind von Kurt Tucholsky geklaut,

für wahr befunden worden

und verdienen es mit euch geteilt zu werden.

 

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Reinkommen.

„Look at these tiny / skinny girls on their bikes!“

 

 

Diesen Satz hören wir gerade öfters. Zugegeben – auch ich würde wohl schmunzeln müssen, wenn ich uns auf diesen bepackten Rädern sehen würde. Wir geben wohl ein lustiges Bild ab mit unseren dünnen Körpern und Beinchen. Es ist ziemlich offensichtlich, dass unsere Räder mehr wiegen als wir. Mit Essen und Wasser werden wir wohl beide an die 55-60 kg rankommen (inkl. Rad).

 

Aber es läuft gut. Super gut. Wir lassen es immer noch langsam angehen. Versuchen an keinem Tag an unsere Grenze zu gehen. Die Körper gewöhnen sich an die Belastung. Und bis jetzt hat keiner Probleme, außer das meine linke Schulter wirklich stark und stechend schmerzt. Scheinbar bin ich schief gewachsen. Mit dilettantischen Kinesiotape-Versuchen hoffen wir das es besser wird. Naja man wird nicht jünger.

 

Ansonsten sind wir Glückskinder. Bis jetzt fast nur Sonne und zwischen 15-20 Grad (was zu dieser Jahreszeit hier sehr sehr selten ist. Verdammt – wozu schleppen wir das ganze schwere Regenzeug und Daunenjacken mit rum?). Überall begegnen uns nette Menschen. Die einzige Nacht in der es mal stärker windete haben wir gestern in einem Wahnsinns Villa verbringen dürfen. Eingeladen von einem anderen Radtourer, hat er uns bei seinen Eltern in der Nanoose Bay direkt am Wasser mit Blick auf den Hafen einquartiert. Bester Weißwein auf der Traumterrasse, frischer Lachs als Dinner inklusive sowie seit Beginn mal wieder eine Nacht in einem wirklichen Prinzessinnenbett. Vier Tage zuvor fragten wir nach einem nächst gelegenen Campingplatz, die befragte Lady war mit ihrer telefonischen Ausbeute nicht zufrieden und schickte uns kurzerhand zu einer unglaublich herzlichen Familie, die auf einem Stück Land aus dem Bilderbuch auch wieder direkt am Wasser lebte. Dieses Land bekamen sie von einem an Krebs verstorbenen Mann vererbt, den der Familienvater recht lange pflegte. Hollywoodgeschichten. Nun möchten sie dieses Glück mit vielen anderen teilen und nehmen öfters (Rad)Reisende auf oder Leute, die für längere Zeit Kost+Logis bekommen, wofür sie im Gegenzug helfen, das Haus weiter auszubauen.

 

Geschweige denn der ganzen Leute, welche einen überall anhalten, zuwinken und sogar aus dem Autofenster heraus befragen. Man kommt kaum zu einem Blick aufs Handy (wenn man mal WLAN hat), da alle interessiert sind und einen sofort anreden. Rennradler fahren neben uns, weisen uns den Weg und plappern.

 

Die Landschaften sind wunderschön, abwechslungsreich und erinnern mich aber nicht selten an mein geliebtes Schweden. Nur das es dort weitaus einfacher wäre „wild“ zu campen. Das erweist sich hier doch teilweise schwerer als gedacht, da vieles privat ist. Und diese Bären gibt’s nicht in (Mittel)Schweden. Einen durften wir schon direkt an der anderen Straßenseite erblicken: Korinna schrie laut um meine Aufmerksamkeit vorne zu erhaschen, ich stieg in das Geschrei mit ein, da wir uns beide so freuten endlich einen Bär zu sehen und wir lachten und kreischten, sodass der Bär nach einem kurzen letzten Winken ziemlich schnell wieder in den Wald rannte (!). Wobei sich das Bärenthema schlimmer anhört als es ist. Alle meinen, dass es nicht gefährlich ist, solange man sein Essen nicht im Zelt hat. Den Gedanke finde ich auch echt nicht so toll, nachts von nem Bär überfallen zu werden, aber wir machen uns fast noch mehr Sorgen um unsere Taschen, die wohl nachdem ein Bär sie öffnet unbrauchbar werden oder viel SCHLIMMER: das Essen wäre weg. Das würde meinen sicheren Tod bedeuten.

 

Es ist unglaublich wieviel ich essen muss. Wer mich kennt weiß, dass ich schon vorher kein Kind von Appetitlosigkeit war, aber das hier ist zum verrückt werden. Korinna gewöhnt sich langsam an meinen Hunger, lacht immer wenn ich anhalte und grinse, aber auch mich nervt es fast. Kaum sitzen wir auf dem Rad, merke ich den Appetit aufkommen. Alle 10 km muss was reingestopft werden. Ständig sehe ich vor meinem inneren Auge Muffins, Eisbecher mit 30 cm Sahnehaube + Schokosauce und andere Leckereien auftauchen. Nicht zu Vergessen die Versuchungen rechts und links: Fast Food, Cafes und noble Restaurants hier und da. Leider ist hier alles doch teurer als in Deutschland und die Reisekasse muss ja noch ein wenig halten, von daher muss ich die bei den Anblicken sich ansammelnden Säfte runter schlucken. Also eure Sorgen zwecks Bären, bösen Menschen etc. sind vollkommen unangebracht. Weitaus wahrscheinlicher ist mein Hungertod.

 

Ansonsten waren die ersten Tage von Umpacken und Umorganisieren bestimmt. Welche Sache mache ich in welche Tasche? Anhalten – merken, dass die Sonnencreme die gerade dringend gebraucht wird, in der hinteren Tasche ganz unten im Kulturbeutel verbaut ist. Natürlich ist auf den hinteren Taschen noch der Quersack fest verzurrt. Ständiges Optimieren und Sinnieren waren unsere Beschäftigungen der ersten Tage. Aber so langsam ist ein System drin und ein Ablauf zu spüren. Man findet sich und „kommt rein“.

 

 

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