Schweben und Erleben.

Uns geht es so unglaublich gut und die Eindrücke und Erfahrungen sind kaum aufzählbar. Die Seele schwingt weit hoch im Himmel und surrt im Tritte der geliebten Rohloff während ich auf dem Rad sitze, Blumen ins Haar gesteckt, und versuche die Weiten des Landes zu ermessen. So unglaublich gut, dass wir all zu oft einfach viel zu viel zu tun haben, als das ich es öfter schaffe hier meine Gedanken aufs Display zu bringen sowie Fotos zu bearbeiten und mit euch zu teilen. Mir bereitet es Spaß auf die passenden Wörter zu warten und sie fließen zu lassen und auch die Fotos zu betrachten, obwohl die Erlebnisse noch nicht weit zurück liegen. Ebenso gibt es nicht überall Internet. Aber genau danach suchte ich ja unter anderem - einfach mal wieder nur zu SEIN ohne zuviele technologische Abhängigkeiten.

 

 

 

Der menschliche Körper. Ein Wunder an sich. Es ist eine wahre Freude zu spüren, wie anpassungsfähig unser Körper doch sein kann. Nun sind wir seit genau 2 Monaten unterwegs und ich sehe und spüre die Veränderungen.

Den ersten Tag fuhren wir 20 km. Vom Flughafen zu unserer Unterkunft in Vancouver. Nach einem 12 stündigem Flug immerwährenden Sonnenscheins, viel zu vielen Stunden des Wachseins, Minuten des Rad wieder zusammen Bauens („Ohje, ob das alles gut geht“?) fühlten sich 20 km aber auch nicht zu wenig an. Zweiter Tag: 40 km. Wir wollen uns ja nicht gleich überanstrengen mit den bestimmt 60 kg schweren Rädern. Dritter Tag wieder ganz sachte: 30 km. Hier sollte noch eingefügt werden, dass die Sunshine Coast nördlich Vancouvers doch recht hügelig ist. Und zwar keine langen gemächlich ansteigenden Hügel, sondern kurze steile. Die ganz fiesen Dinger. Eigentlich erinnere ich mich nur noch an das ständige Schalten, hoch und runter gedreht die geliebte Rohloff. Und dennoch denkt man sich im Stillen: Ohje, wie soll ich jemals mehr als 60 km schaffen ohne am nächsten Tag vor Muskelkater um zu kommen? Aber den ersten drei Tagen folgten drei 50 km Tage, mal 60, 70 usw. Zwischendurch mal hier mal da ein Restday. Vielleicht auch mal drei in der einen oder anderen Stadt. Und heute? 50 km Tag fühlt sich an wie gefaulenzt ;-) In den letzten zwei Tagen brachten wir die wohl höchsten Erhebungen der nordkalifornischen Küste hinter uns. Und es lief easy peasy lemon squeezy...

Ein Hoch auf den menschlichen Körper. Und den Willen etwas zu Schaffen. Hier kann ich mit Freude berichten, dass sich meine Schulter Probleme fast gänzlich gegeben haben. Auch hier zahlt sich Geduld aus und Korinnas und meine Reisegeschwindigkeit: Nichts überstürzen :-)

 

Und trotz der wachsenden Oberschenkel radeln einige an uns vorbei. Diese ganzen verrückten Amis, zu 99 % auf ihren fancy-sexy-light-weight bikes (Ja, ich bin neidisch). Die schrauben hinten einen Gepäckträger auf ein RENNrad, zwei Taschen dran gehangen und los geht’s. Da kommt man sich schon ein bisschen komisch vor mit seinem Stahlrahmen-Fahrrad, was wahrscheinlich ohne Taschen alleine mehr wiegt als deren „voll bepacktes“ Rad. Aber wenn man kein Essen mitschleppt, nur für vier Wochen unterwegs ist und somit auch ein ganz anderes Reisebudget hat, sodass man einfach Essen gehen kann, keine Sachen dabei hat, die man vlt. irgendwann mal braucht (Medizin, wärmere Sachen usw.) hat man natürlich ein ganz anderes Gepäckvolumen. Das bete ich mir zumindest immer vor, wenn sie mit Rekordgeschwindigkeit an mir vorbei ziehen. Hier führen wir übrigens eine Statistik: 6 Päarchen, 28 einzelne Männer und nur VIER einzelne Frauen, die wir bis jetzt trafen. Nur die mitgezählt, mit welchen wir redeten. So übern Daumen gepeilt kommen noch bestimmt 20 weitere einzelne Männer und 3 Päarchen hinzu, die wir sahen. Traurig. Ladies: Rauf auf den Sattel - rein ins Vergnügen!!!

 Bei den meisten lauten die Kennenlernfragen: „Wieviele Meilen macht ihr am Tag?, Wo seid ihr gestartet? Wohin wollt ihr?“ Ich überlege seit längerem ein Schild mit den Antworten auf diese Fragen zu basteln. Oder einfach mit abwegigen Antworten zu spielen, we are having a short day today, just did 100 miles... (~160 km).

 

Die Amis. Tja, man hat ja so seine Stereotypen im Kopf. Dicke Menschen, in riesigen Autos sitzend und einen XXL-Shake in der Hand. Leider bewahrheitet sich dieses Bild zu oft. Und dann sieht man sie in fahrenden Rollstühlen durch Wallmart fahren, welche man sich am Eingang ausleihen kann. Zu faul (und dick) um durch ihre riesigen Supermärkte zu laufen. Dann überall Plastik und Wegwerf Artikel. Um nur ein Beispiel zu nennen: Unsere Besuche in Coffee Shops machen mich traurig. Ich sage absichtlich und laut, dass wir den Kaffee im Laden konsumieren werden, dennoch bekommt man immer einen take away-Becher in die Hand gedrückt. Wenn ich ausdrücklich nach Tassen frage, werde ich komisch angeschaut. Teilweise gibt es diese gar nicht. Selbst in den grünen Bio+fairtrade Cafe´s nur Pappbecher. Der Müll als eigentlicher Grund meiner Aufregung reicht ja nicht, so geht doch auch ein erheblicher kultureller Aspekt verloren, wenn man seinen Kaffee nicht in einer schönen Tasse mit einem echten Teelöffel an der Seite genießen kann. Aber wie überall, gibt es auch viele andere Beispiele. Entschuldigt, dass ich mit den negativen Aspekten begann. Nicht sehr höflich und stilistisch keinesfalls elegant. Es gibt natürlich auch eine Menge positiver Beispiele. (Und hier werde ich keine speziellen Menschen erwähnen, welche unsere Reise bis jetzt und immer noch in so vielen Aspekten bereichern.) Was ich wirklich bewundere, ist ihre selbstbewusste Art. Niemand schämt sich seiner selbst wegen. Keiner scheut. Alle sind sehr offen und freundlich. Man kann die Menschen anlachen ohne komisch angeschaut zu werden. Jeder tanzt, läuft, singt, kleidet und spricht mit sich und der Welt wie er es mag. Und das scheint normal. Vielleicht liegt das in der ursprünglich und tief verankerten Idee des amerikanischen Traums begründet. Jeder kann seinen eigenen Weg gehen und damit erfolgreich sein, wenn er nur hart genug arbeitet. Das Selbstbewusstsein spiegelt sich auch im Patriotismus wider. Mehr oder weniger ausgeprägt. Weniger bei den Menschen, mit welchen wir mehr Zeit verbringen. Dennoch spürbar in all den anderen und in der Allgemeinheit. Und das meine ich nicht nur negativ, eher als Feststellung. So kann ich diesem in einigen Punkten auch etwas Gutes abgewinnen.

Aber ich will mal in kein politisch soziologisches Essay abdriften. Ich erwähne gewisse, aktuell politische Comic Figuren erst gar nicht.

 

In der nächsten Woche erreichen wir vermutlich San Francisco. Hier habe ich hoffentlich etwas mehr Zeit und Muße mal wieder zu schreiben und Fotos hochzuladen...

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Ikke (Dienstag, 12 Juli 2016 21:42)

    Wollt in in San Francisco nochmals bekannte fragen? Eine Dresdnerin und einen Ami?
    Gib Bescheid...

  • #2

    Sarah (Donnerstag, 14 Juli 2016 20:07)

    Cool ihr seid ja schon weit gekommen! Die Erfahrung die du machst klingen super! So viele nette Menschen :) Viel Spass weiterhin!!

  • #3

    Tonia (Samstag, 23 Juli 2016 17:31)

    Es ist immer wieder schön von dir zu lesen und zu wissen, dass es euch gut geht <3