Die Kosten der Gesundheit.

Viele Menschen fragen immerzu, ob das ständige Radfahren und die Anstrengung

die größten Herausforderungen seien auf einer solchen Reise.

Nein.

Es sind eher andere Dinge, die die eigentliche Herausforderung darstellen.

Zum Beispiel eine schwere Entscheidung und ein noch schwererer Flug.

 

 

Fast alles läuft glatt. Meistens. Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich oft auf der Sonnenseite des Lebens wohne. Obwohl das viel mit der eigenen Einstellung zu tun hat wie ich glaube, aber das soll hier jetzt nicht Thema sein. Aber wenn ich dann mal Pech habe, dann so richtig. So kommt es mir vor. Dann will mir etwas Höheres es so richtig zeigen.

 

Letzter Blogeintrag: Ich nahm mal wieder Antibiotika. Gegen meinen Parasiten. Diesmal sogar die richtigen. Mir ging es tagtäglich wieder besser, war guten Mutes und guter Hoffnung. Lernte fleißig Spanisch und freute mich dennoch bald wieder aufs Bike zu kommen. Einen Tag nach meiner letzten Tablette aßen Kieran und ich Frühstück. Eier und Früchte. Zwei Stunden später rannten wir in der Schule fast gleichzeitig auf die Toilette. Irgendwas stimmte nicht mit dem Essen. Das kommt vor in diesen Ländern. Die Hygiene Bedingungen sind eben nicht toll und durch das tropische Klima wimmelt es von Bakterien. Als Tourist der länger als zwei Wochen reist erwischt es fast alle mal. Das ist auch weiterhin nicht schlimm, denn das gibt sich nach 1-3 Tagen von selbst. In der Vergangenheit hatte ich sowas auch öfter. Auf vorherigen Reisen und auch in Mexiko. Aber wie sich der aufmerksame Leser denken kann, war es bei mir nicht so einfach. Mein Darmsystem wurde in den letzten 4 Monaten bereits stark beansprucht. Fünf verschiedene Antibiotika und ein Parasit der sich einnistete waren zuviel Vorgeschichte für einen erfolgsversprechenden Kampf gegen aktuelle Bakterien. Ich versuchte es drei oder vier Tage lang. Und wie immer wurde es anstatt besser eher von Tag zu Tag schlechter. Als ich wieder beim Arzt saß, rannte ich während einer Stunde Wartezeit dreimal auf die Toilette. Konnte mal wieder kaum noch Laufen so kraftlos war ich. Und der Arzt betrachtete mich nachdenklich und sprach aus, was ich im Inneren wusste: Es bringt nichts. Ich muss hier weg. Weg aus dem Umfeld, was mich immer wieder krank macht. Ein gesundes Immunsystem schafft das, aber meines ist am Ende. Und ich hatte nicht mal eine Chance wieder zum Normalstatus zu kommen. Es war Pech gleich am nächsten Tag schlechtes Essen abzubekommen. Noch ein letztes Mal nahm ich Antibiotika, nachdem der Arzt meinen Bauch ultraschallte und große Entzündungsherde entdeckte. Das gleiche zeigte auch mein Stuhltest.

 

Einen Tag später buchte ich einen Flug nach San Francisco und beantragte mein ESTA für die USA.

 

 

Diese Tage waren nicht leicht. Immer wieder weinte ich. Ich wollte meine Reise nicht beenden. Wollte nach Südamerika. Dessen Weiten entdecken. Mein Spanisch weiter erlernen. Und vor allem wieder aufs Bike. Gleichzeitig war mir klar, dass es die einzig richtige Entscheidung war, die ich traf.

Und zum Glück gibt es auf dieser Welt wunderbare Menschen. Und sie erscheinen einem manchmal wie Engel, die zum richtigen Zeitpunkt gesandt werden. Kieran, mit welchem ich seit Monaten zusammen reiste, meine guatemaltekische Familie, Hiren - ein Schüler unserer Schule und andere halfen mir enorm bei den Flugvorbereitungen. Sie standen mir bei und ich bin sehr froh, dass ich nicht alleine war zu diesem Zeitpunkt. Und sie brachten mich zum Lachen. Vor allem Hiren. Der kam eines Tages plötzlich zu mir an und meinte, ich hätte ihn inspiriert. Innerhalb von zwei Stunden schrieb er einen Song über mich ;-)

 

--->

 

Und dann wollte ich fliegen. Immer noch geschwächt. Bestimmt drei oder vier Kilo weniger "Speck" auf den Rippen als sonst. Mit einem Sack voller schwerer Ortliebtaschen, meinem Handgepäck und natürlich der unglaublich handlichen Bikebox im Schlepptau. Ich kam mit dem Bus in Guatemala City an, lud alle Sachen zum Check In Schalter und nannte der Lady meinen Namen. Nach einigen Minuten wurde ich langsam nervös, denn: Sie sah meinen Namen nicht. Nach weiterem, langem Suchen fand Sie ihn endlich. Allerdings unter Reservierungen. Wie sich heraus stellte ging meine online Paypal Zahlung zwar von meinem Konto ab, kam aber nicht bei der Airline an. Also ging ich zum Back Office der Airline um dort mit Hilfe der Angestellten zu versuchen die Zahlung von Paypal erneut zu beantragen. Das war aber mittlerweile zwei Stunden vor Abflug zu kurzfristig. Also wieder nach vorne zum Check In. Ich versuchte mit Kreditkarte zu zahlen. Aber diese funktionierte nicht. Einen Tag zuvor ging sie noch (und zwei Tage später funktionierte sie auch wieder). Verflixt. Dann versuchte ich Bargeld an einem Automaten abzuheben. Auch nichts. Also musste ich aufgeben.

Ich nahm ein Taxi und ließ mich zum nächsten Billighostel fahren, aß billiges Essen, da ich mittlerweile auch mit meinem Bargeld knapp bei Kasse war. Abends telefonierte ich mit Jesse, der mir dann einen Flug buchte. Ein weiterer Engel. Mit ihm fuhr ich zwei Monate durch Mexiko und bin nun bei ihm in Kalifornien, wo ich ihn damals über Warmshowers kennenlernte. Die Nacht verbrachte ich im 10er Hosteldorm, tat kein Auge zu und durfte einem Schnarcher neben mir lauschen. Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden so laut schnarchen hören. Am nächsten Morgen stand ich pünktlich um 5 Uhr morgens am Schalter und die freundliche Mitarbeiterin fand meinem Namen. Dann suchte sie nach meiner ESTA-Genehmigung. Und sie fand sie nicht. Mein Herzschlag erhöhte sich erneut. Um in die USA einzureisen, braucht man entweder ein VISA oder das ESTA. Und man wird meist gar nicht ins Flugzeug gelassen, wenn man diese Dinge nicht vorweisen kann. Zum Glück hatte ich aber ein Screenshot von meinem ESTA auf dem Handy, sodass sie mich dann manuell per Nummer suchen konnte. Dann ging es zur Bikebox. Meine mittlerweile nicht mehr so freundliche Ansprechpartnerin starrte auf das Ding. Und begann mit einem Maßband herum zu wurschteln. Online stand, dass Bikeboxen keine Maßbeschränkungen haben. Dann wurde mit anderen Mitarbeitern diskutiert und es ging ewig hin und her. Bis sie die Box dann endlich absegnete.

Endlich konnte ich gehen und reihte mich in die Warteschlange zur die Sicherheitskontrollen ein. Kaum war ich durch diese gelassen worden, kam meine genervte Check In-Tante angerannt. Direkt zu mir. Und sie zerrte mich aus der Schlange. Und da kam es wieder. Das nervöse Gefühl. Ich musste wieder mit nach oben zum Check In. Dort erklärten sie mir, ich müsse die Bikebox in Plastikfolie einwickeln lassen, sonst nähmen sie sie nicht mit. 20 Minuten später und 18 € ärmer war das erledigt und ich durfte wieder durch die Sicherheitskontrolle. Irgendwann kam ich am Gate an und ließ mich nieder. Atmete tief durch und schloss meine Augen.

Dann wurde mein Name über Lautsprecher ausgerufen. Fu*king hell. Das gibts doch einfach nicht. Was ist hier los. Versteckte Kamera? Mir schossen die Gedanken durch den Kopf: Wahrscheinlich haben sie jetzt den Benzinkocher im aufgegebenen Gepäck gefunden...  Ich stiefelte nach vorne und starrte dort die Leute an. Ein freundlicher Herr erklärte mir dann, dass sie mich aufgrund der vielen Unannehmlichkeiten auf Business Class geupgraded hätten. Somit konnte ich mich im Flugzeug mit Essen vollhauen und dachte, dass ich es ja nun fast geschafft hätte. Aber falsch gedacht.

 

 

Zwischenstopp Mexiko City. Ich konnte noch vier Euro in mexikanische Pesos umtauschen. Vier Euro für neun Stunden Wartezeit und aufkommenden Hunger. Aber erstmal musste ich mein Gepäck abholen und neu einchecken. Dies kostete viel Kraft und Nerven.

Irgendwann saß ich dann im Flugzeug nach San Francisco und schlief. Abends um 11 Uhr landeten wir und ich kam nach langer Wartezeit an eine überaus unfreundliche junge Dame. Dass die Grenz-Beamten nicht super freundlich sind, wusste ich bereits, aber diese war herausragend. Nach kurzer Wartezeit schaute sie mich herausfordernd an und fragte mich, ob ich wüsste, dass man einen Rückflug benötige um auf ESTA in die USA einzureisen? Ich schluckte. Bekam Schweißausbrüche. Nein das wusste ich nicht. Ich erklärte, dass ich noch nich wisse wie ich ausreisen werde, dass es sein kann, dass ich mit dem Rad per Landweg (zB. nach Kanada) ausreise. Dann schaute sie sich mein vorheriges 90 Tage Visa an. Fragte, was ich damals hier gemacht hätte. Ich antwortete, ich sei mit dem Rad von Vancouver nach Tijuana gefahren. Das glaube sie nicht, war ihre Antwort. Was ich denn in Mexiko und Guatemala gemacht hätte? Auch Rad gefahren. Sie schüttelte den Kopf. Ich schlug vor, dass sie ja mal in mein aufgegebenes Flugzeuggepäck schauen könnte, dort befindet sich nämlich ein Fahrrad. Dann schickte sie mich nach weiteren komischen Fragen in ein Büro. Wieder Warten. Dort schaute sich eine FREUNDLICHE Dame meinen Pass an. Sie stellte mir wieder sehr viele und wirre Fragen. Aber sie glaubte mir. Und fand es auch nachvollziehbar, dass ich noch nicht wusste wohin ich ausreisen werde, weshalb ich noch keinen Rückflug hatte. Nach insgesamt einer Stunde des Bangens stempelte sie und ich konnte endlich durchatmen.

Dann holte ich mein Gepäck. Wollte ich zumindest. Leider fehlte von meinem Fahrrad jede Spur. Weder auf dem normalen Gepäckband, noch beim Sperrgepäck zu sehen. Ich bat um Hilfe und trotz Nachtelefonieren konnte mein Fahrrad nicht ausgemacht werden. Wir irrten herum, suchten und warteten für lange Zeit. Gerade als wir eine Vermisstenanzeige aufgeben wollten kam dann ein Anruf. Mein Liebling wurde gefunden.

 

Was für eine Reise. 48 Stunden in denen ich bangte und mich fragte, warum es ausgerechnet jetzt, wo es mir eh schon nicht gut ging, soviel schief gehen musste?

 

Hier in Kalifornien ging ich dann ein paar Tage später erneut zu einem Arzt. Und gab eine Stuhlprobe ab. Diese kostete mich sage und schreibe 800 Dollar. In Guatemala und Mexiko kosteten die unter zehn Euro. Als ich das hörte kippte ich fast vom Stuhl und dachte, dass es ein Missverständnis sein müsse. Ich hoffe, dass das hinterher mit meiner privaten Auslandskrankenversicherung alles klappen wird und ich das Geld zurück bekomme. Ich weiß nicht, ob die da Gold mit einmischen um zu Testen, aber jetzt habe ich Gewissheit. Kein Parasit mehr. Zwar noch einen kleinen Rotavirus und viiieeel zu wenig gute Darmbakterien. Die Ärztin schaute mich mit großen Augen an als ich von meinen sechs Antibiotika innerhalb von vier Monaten erzählte. Jetzt brauche ich Zeit. Und gutes Essen. Es kann bis zu sechs Monate dauern die Darmflora wieder auf Normalniveau zu bringen. Meine hängt quasi ganz unten. Daher habe ich auch immer noch kein normales Verdauungsgefühl usw. Aber ich nehme jetzt Probiotika, trinke Kefir und Kombucha und stopfe den ganzen Tag fleißig Essen in mich hinein um wieder auf mein Normalgewicht zu kommen.

Und auch mental geht es mir langsam besser. Zurückblickend realisiere ich, wie ich auch mental zum Schluss sehr angespannt war. Ich hatte Angst vor jedem Essen. Betrachtete es nicht mehr mit meinem sonst durchaus sehr gesundem Appetit, sondern grübelte und starrte auf mein Essen aus Angst, es würde mir gleich wieder schlecht gehen danach.

 

Es war eine gute und die richtige Entscheidung aus diesem Kreislauf auszubrechen. Die Umwelt hat mich mit meinem bereits geschwächten Immunsystem immer wieder krank gemacht. Nun starte ich langsam wieder mit Bewegung. Für Entscheidungen wie es irgendwann weiter geht ist es zu früh. Jetzt genieße ich erstmal ein grünes Kalifornien, kurze Biketouren durch die umliegenden Wälder, Joggen entlang der Küste, Yoga, ESSEN und die Zeit mit Jesse, welcher mir ebenso soviel half und beiseite stand.

 

Und demnächst gibts nen Blogeintrag zu meiner Zeit in San Pedro, der Schule und der guatemaltekischen Kultur welche wir kennenlernen durften. Und viele bunte Bilder.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Nina Fischer (Montag, 27 März 2017 20:28)

    Wir senden dir viel Kraft und gute Darmbakterien.

  • #2

    Manuel (Montag, 27 März 2017 22:00)

    Bin gerade in Prag. Werde morgen ein Bier auf deine Gesundheit trinken. Oder auch zwei ;-)

  • #3

    Lydia Herms (Mittwoch, 29 März 2017 23:22)

    Anna, alles Liebe für dich! Dir und deinem Darm soll es bald besser gehen. Ich lese bis dahin all deine Blogeinträge. Das trägt sicher nicht wirklich zu deiner Genesung bei, aber ich wollte es nur mal schriftlich versprechen. Hab’ Dank für deine Geschichten. Bis bald, Lydia

  • #4

    Christin (Freitag, 05 Mai 2017 23:14)

    Liebe Anna,
    das liest sich alles wie ein Krimi, ich fiebere immer richtig mit beim Lesen. Ich wünsche dir alles Liebe und hoffe, dass es dir bald wieder besser geht. Ich drücke die Daumen.