A wie Abschied oder Anfang?

Bevor ich sentimental werde: Darf ich vorstellen?

 

Das ist SIE.

 

SIE  ist keine zarte Seele, soviel ist klar. Mit 18 Kg Gewicht gehört SIE wohl eher zu den kräftigen Weibern. Aber genau das brauche ich. Eine verlässliche Seele an meiner Seite. Die mich hoffentlich so schnell nicht im Stich lässt und durch ihre Robustheit und ihre Toughness besticht. Nach langem Philosophieren, Diskutieren und Rumprobieren sowie enger Zusammenarbeit mit dem Bike Center Dresden steht SIE nun da in voller Pracht und scharrt mit den Hufen. Das Radmädchen ist bereits dabei sich zu verlieben. Einen richtigen Namen bekommt SIE nicht. Zwei andere namenstragende Kinder dieser Art befinden sich (schätzungsweise zerstückelt in Kleinteile) in den Händen derer, die es scheinbar dringend nötig hatten sich am Eigentum Fremder zu bedienen. Da dies nicht nochmal geschehen soll, belassen wir es also bei IHR.

 

 

 

Gerade geht mir mal wieder das Lied von Silbermond durch den Kopf…

 

„Eines Tages fällt dir auf,
dass du 99% nicht brauchst.
Du nimmst all den Ballast
und schmeißt ihn weg,
Denn es reist sich besser,
mit leichtem Gepäck.“

 

Heute trug ich die sich so ansammelnden Dinge aus meiner Wohnung. Nicht alle sinnlos, aber es ist erschreckend zu merken, wieviel man davon doch tatsächlich so gut wie nie oder sehr selten braucht. Von daher ist es befreiend mit sechs Radtaschen und ungefähr 27 Kg Gewicht zu starten. Plus Rad wären es dann 45 kg, dazu kommt noch Essen und Wasser, macht dann vielleicht so 50 kg Kampfgewicht. Fast mein eigenes Körpergewicht. "Leichtes Gepäck" wird somit dann auch wieder relativiert. Spätestens am ersten Anstieg werde ich das Gepäck alles andere als "leicht" nennen.

 

Aber es kommt beim Kisten packen auch gleichzeitig Wehmut auf. Meine Heimat verlassen. Die Familie und Freunde. Den Alltag. Und vor allem immer wieder die Frage bzw.die Ungewissheit in meinem Kopf wann ich wohl wieder komme?

 

Eine aufregende Zeit geht zu Ende und eine noch aufregendere beginnt. Eine Phase der Organisation und Träumereien geht endlich vorüber. Aber so komisch es sich anhört, die Reise begann schon bevor ich überhaupt auf dem Rad saß. Die ganzen Vorbereitungen ließen etwas mit mir passieren. Ich realisiere gerade, wie toll es ist seine Träume zu leben. Wie viele positive Gefühle mich überkamen, als ich diese Entscheidung fällte.

Es ist wunderbar wie vielen tollen Menschen ich schon jetzt begegnete. Man kommt in so ein Netzwerk von bestehenden Reiseradlern rein, im realen und digitalem Leben. Wenn man von seinem Vorhaben erzählt, kennt dein Gegenüber jemanden, der wieder jemanden kennt… Und da chattet, telefoniert oder redet man plötzlich mit anderen Radmenschen. Und dadurch sind Bekanntschaften und Freundschaften entstanden. Ich habe einige inspirierende, tolle, beeindruckende und liebe Menschen kennengelernt.

Und dann sind da noch die Freunde und die Familie. Von einigen wenigen Bekannten abgesehen, welche mit völligem Unverständnis reagieren, bekommen die meisten ein freudiges Strahlen in die Augen. Und sie freuen sich auf solch ehrliche Weise mit dir, dass mich das glücklich macht. Zusprechungen, viel Unterstützung und Anteilnahme gaben mir Kraft und innere Freude. Auch wenn diese natürlich unabhängig von äußeren Einflüssen sein sollte, so ist es doch ein schönes Gefühl zu wissen, dass viele hinter einem stehen und sich womöglich anstecken oder inspirieren lassen.

 

Die Reise begann für mich also vor längerer Zeit und hat mir schon jetzt viel Energie und Freude gebracht. Sie begann im Moment der Entscheidung diese anzutreten. Denn Reisen muss nicht unbedingt in der Ferne stattfinden. Manchmal beginnt sie mit der eigenen Einstellung.

 

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